Messergewalt in Städten: Ursachen und Lösungen
Autor: Dr. Franz Wulz
Welche gesellschaftlichen und individuellen Ursachen liegen diesem Gewaltphänomen zugrunde, und welche kurz- und langfristigen Folgen ergeben sich daraus für die Betroffenen und die Gesellschaft insgesamt?
Willkommen zur neuesten Ausgabe von SICHERHEIT-KOMPAKT.
Diese Woche tauchen wir in das Thema Messergewalt ein und zeigen, wie die zunehmende Bewaffnung mit Messern die Gesellschaft beeinflusst und welche Maßnahmen zur Prävention getroffen werden können.
In die Praxis. Wir betrachten spezifische Fallbeispiele und analysieren die dahinterliegenden Ursachen und Folgen.
Fallbeschreibung 1: WIEN FAVORITEN (A)
Im November 2023 wurde ein Polizist in Wien-Favoriten bei einem Einsatz schwer verletzt, als ein 32-jähriger Mann mit einem Messer auf ihn losging. Die Tat ereignete sich während eines routinemäßigen Polizeieinsatzes in einem Wohngebiet.
Statistiken zur Fallbeschreibung 1.
Laut einem Bericht der Stiftung Zukunft CH ist die Zahl der Anzeigen im Zusammenhang mit Messerangriffen in Wien seit 2020 stetig gestiegen.
Im Jahr 2022 wurden insgesamt
x) 959 Gewaltverbrechen mit Stichwaffen gemeldet,
x) was eine Zunahme von 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr darstellt.
Auch für 2023 ist ein weiterer Anstieg der Zahlen zu verzeichnen, wobei detaillierte Daten für dieses Jahr noch ausgewertet werden müssen.
Problemstellung zur Fallbeschreibung 1.
Aktuelle Herausforderungen für die Behörden bestehen darin, dass Polizist:innen immer häufiger in gefährliche Situationen geraten, in denen sie mit Messerangriffen konfrontiert werden. Die Problematik der Messerangriffe in Wien, insbesondere im Bezirk Favoriten, zeigt die Notwendigkeit neuer und umfassenderer Maßnahmen.
Erste Maßnahmen zur Fallbeschreibung 1.
Die Wiener Polizei reagierte mit verstärkten Schulungen im Umgang mit gefährlichen Situationen und dem Einsatz von Schutzwesten. Zusätzlich wurden Deeskalationstechniken und der richtige Umgang mit potenziell gewalttätigen Personen verstärkt in das polizeiliche Einsatztraining aufgenommen.
Fallbeschreibung 2: MANNHEIM (D)
Auf dem Marktplatz in Mannheim kam es am 31. Mai 2024 zu einer tödlichen Messerattacke auf einen Polizisten. Der Täter stach dem Polizisten mehrmals in den Kopf- und Halsbereich. Die Attacke ereignete sich am helllichten Tag in einem belebten Bereich der Stadt.
Statistiken zur Fallbeschreibung 2.
In Deutschland wurden im Jahr 2023
x) rund 8.950 Messerangriffe im Bereich gefährliche und schwere Körperverletzung
x) sowie circa 4.890 im Bereich Raub registriert.
Dies zeigt eine signifikante Zunahme im Vergleich zum Vorjahr (Quelle BR24).
Gleich wie in Österreich haben Messerangriffe auch in Deutschland auf Polizist:innen in öffentlichen Bereichen in den letzten Jahren ebenfalls massiv zugenommen, was zu verstärkten Kontrollen und Diskussionen über Maßnahmen wie Messerverbotszonen geführt hat (Quelle BR24).
Problemstellung zur Fallbeschreibung 2.
Gleich wie bei Fall Wien werden die Problematiken der Tatwaffe „Messer“ durch den Vorfall in Mannheim nochmals verdeutlicht. Die Attacke, die am helllichten Tag in einem belebten Bereich der Stadt stattfand, zeigt die akute Gefahr, der nicht nur Einsatzkräfte, sondern auch die allgemeine Bevölkerung ausgesetzt sind.
Es ist zwingend notwendig, präventive Strategien zu entwickeln, um die Ursachen von Gewalt zu bekämpfen, sowie effektive Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer zu implementieren.
Erste Maßnahmen zur Fallbeschreibung 2.
In Mannheim wurden nach der tödlichen Attacke zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen eingeführt. Dazu gehören verstärkte Kontrollen an öffentlichen Plätzen und die Einführung von Messerverbotszonen. Diese Zonen sollen das Mitführen von Messern in bestimmten Bereichen verhindern und so die Sicherheit erhöhen.
Erste Zusammenfassung aus Fall 1 & 2
Ob der politische Wunsch nach Messerverbotszonen das Erfolgsrezept ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Messerverbotszonen können in stark frequentierten Bereichen kurzfristig zur Reduzierung der Gewalt und Erhöhung der Sicherheit beitragen. Sie erschweren potenziellen Tätern den Zugang zu Waffen und können somit unmittelbare Bedrohungen verringern.
Allerdings sind solche Maßnahmen allein nicht ausreichend, um das Problem der Messergewalt langfristig zu lösen.
Für nachhaltige Erfolge sind umfassendere Ansätze erforderlich. Präventive Maßnahmen wie Aufklärungskampagnen, Bildungsprogramme zur Gewaltprävention und soziale Unterstützungsdienste spielen eine wichtige Rolle.
Die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Politik und Zivilgesellschaft ist ebenso essenziell, um ein sicheres Umfeld zu schaffen und den Ursachen der Gewalt entgegenzuwirken.
Letztendlich müssen Messerverbotszonen Teil eines ganzheitlichen Sicherheitskonzepts sein, das auf Prävention, Aufklärung und rechtliche Maßnahmen setzt, um langfristig wirksam zu sein.
Nur durch ein koordiniertes Vorgehen von Politik, Gesellschaft und Strafverfolgungsbehörden kann dieser besorgniserregenden Entwicklung wirksam entgegengetreten werden. Es bedarf der Schaffung und Bündelung neuer Ressourcen, die sowohl präventive Ansätze zur Reduzierung der Gewaltbereitschaft als auch effektive Strategien zur Unterstützung der Opfer und zur strafrechtlichen Verfolgung der Täter umfassen.
Für die Opfer.
Die physischen und psychischen Auswirkungen von Messerangriffen sind erheblich. Betroffene Personen müssen oft langwierige medizinische Behandlungen durchlaufen und können an den Folgen lebenslang leiden. Langfristige gesundheitliche Probleme und Traumata sind häufige Folgen solcher Angriffe. Bei tödlichen Vorfällen sind die Auswirkungen auf die Familien und Freunde der Opfer verheerend, da sie mit dem Verlust und den emotionalen Belastungen zurechtkommen müssen.
Für die Gesellschaft.
Die zunehmende Gewaltbereitschaft und die Häufung von Messerangriffen schüren Angst und Unsicherheit in der Bevölkerung. Dies kann das Vertrauen in die öffentliche Sicherheit und die Strafverfolgungsbehörden erheblich beeinträchtigen und zu sozialer Instabilität führen. Solche Vorfälle belasten zudem die Gesundheits- und Sozialsysteme erheblich, da sie die Ressourcen beanspruchen, um den Betroffenen angemessene Unterstützung und Behandlung zu bieten.
Fallrekonstruktion.
Die Fallbeschreibungen aus Wien-Favoriten und Mannheim, in Verbindung mit den Statistiklandkarten, zeigen die zunehmende Gefahr durch Messerangriffe auf Polizist:innen und die allgemeine Bevölkerung.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sind gezielte Maßnahmen zur Sensibilisierung und Prävention zwingend notwendig.
Ein wesentlicher Aspekt dabei ist das Schaffen von Ressourcen, die sowohl Polizist:innen als auch Bürger:innen zugutekommen. Dies umfasst die Bereitstellung von Informationsmaterialien, die Einrichtung von Hotlines für den schnellen Austausch bei Verdachtsfällen und Bedrohungssituationen sowie die Förderung von gemeinsamen Workshops und Trainings.
Diese Maßnahmen stärken nicht nur das gegenseitige Vertrauen, sondern ermöglichen auch eine effektivere Prävention und Reaktion auf Gewaltvorfälle. Durch den Aufbau eines Netzwerks aus Polizei und Bürger:innen können Bedrohungen frühzeitig erkannt und gemeinsam bewältigt werden, wodurch die Sicherheit und das Wohlbefinden aller Beteiligten erhöht werden.
Zur wirksamen Bekämpfung dieser Gewalt sind umfassendere und zielgenaue Ansätze erforderlich, die sowohl die Polizeiarbeit als auch die Sensibilisierung der Bürger:innen mit einbezieht:
Auf Behördenseite:
- Adaptierte Einsatztrainingskonzepte für Polizist:innen: Neue Trainingsprogramme, die auf realistische Szenarien und aktuelle Bedrohungen abgestimmt sind, sollen die Einsatzkräfte besser auf gefährliche Situationen vorbereiten.
- Verbesserung der Ausrüstung und Technik: Modernisierung und Bereitstellung von Schutzwesten, nicht-tödlichen Waffen und Überwachungstechnik, um die Sicherheit und Effizienz der Polizeiarbeit zu erhöhen.
- Grundlagen der Psychologie und Täterklassifikationen in Amok- und Terrorlagen: Schulungen in psychologischen Grundlagen und Täterprofilen, um das Verhalten in extremen Bedrohungslagen besser verstehen und darauf reagieren zu können.
- Zwingende Erstsprecherausbildung für Sonderlagen: Ausbildung weiterer spezialisierter Sprecher:innen, die in kritischen Situationen klare und beruhigende Kommunikation sicherstellen.
- Kenntnisse in taktischer Medizin zur Erstversorgung: Schulung in notfallmedizinischen Techniken (TCCC – Medic), um bei Verletzungen schnell und effektiv Erste Hilfe leisten zu können.
- Therapieangebot für Opfer von Gewalt nach schwierigen Einsätzen: Bereitstellung von anonymer psychologischer Unterstützung und Therapie für Polizist:innen, die im Dienst Opfer von Gewalt wurden, um deren mentale Gesundheit zu fördern.
- …
Sensibilisierung für Bürger:innen:
- Medienkampagnen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit: Öffentlichkeitsarbeit zur Aufklärung über die Gefahren von Messerangriffen und die Bedeutung präventiver Maßnahmen.
- Organisation von Veranstaltungen: Informationsveranstaltungen in Gemeinschaftszentren, Schulen und anderen Einrichtungen, um die Bevölkerung über Sicherheitsmaßnahmen und Prävention zu informieren.
- Förderung des Dialogs und der Zusammenarbeit: Initiativen zur Stärkung des Vertrauens und der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Gemeinschaft, um präventive Maßnahmen zu entwickeln und das Sicherheitsgefühl zu verbessern.
- Schaffung von Feedback-Kanälen: Etablierung von Mechanismen, über die Bürger:innen Rückmeldungen zur Polizeiarbeit geben können, um Transparenz und Vertrauen zu fördern.
- Regelmäßiger Informationsaustausch: Etablierung regelmäßiger Treffen und Austausch zwischen Polizei und Gemeindevertretern, um aktuelle Herausforderungen zu besprechen und gemeinsam Lösungen zu finden.
- …
In dieser Ausgabe von SICHERHEIT-KOMPAKT haben wir in aller Kürze die gesellschaftlichen und individuellen Ursachen des Phänomens der Messergewalt beleuchtet.
Konkret lässt sich festhalten, dass ohne entsprechende Maßnahmen erhebliche kurz- und langfristige Folgen für die Betroffenen und die Gesellschaft unvermeidbar sind.
Anhand von Fallbeispielen aus Wien-Favoriten und Mannheim wird gezeigt, wie sich die Verwendung von Messern als Tatwaffe entwickelt hat und welche Maßnahmen zur Prävention ergriffen werden können.
Die Zunahme von Messerangriffen in städtischen Gebieten stellt nicht nur Polizist:innen, sondern auch die allgemeine Bevölkerung vor erhebliche Herausforderungen, die ein koordiniertes Vorgehen von Politik, Gesellschaft und Strafverfolgungsbehörden erfordern.
Die Fallbeispiele verdeutlichen die dramatischen Folgen von Messerangriffen. In Wien-Favoriten wurde ein Polizist bei einem routinemäßigen Einsatz schwer verletzt, und in Mannheim kam es zu einer tödlichen Attacke auf einem belebten Marktplatz. Diese Vorfälle zeigen die unmittelbaren physischen und psychischen Auswirkungen auf die Opfer und deren Umfeld, die oft langwierige medizinische Behandlungen und psychische Traumata erleiden.
Für die Gesellschaft führt die Zunahme solcher Angriffe zu einem Gefühl
x) der Unsicherheit und
x) einem sinkenden Vertrauen
in die öffentliche Sicherheit.
Abschließend bleibt nur kritisch zu hinterfragen, ob „Waffenverbotszonen“ wirklich der Game-Changer sein werden, denn langfristig belasten solche Vorfälle die Gesundheits- und Sozialsysteme erheblich.
Weiterführende Lektüre.
Literatur. Für tiefere Einblicke empfehle ich: „Dynamik der Gewalt. Eine mikrosoziologische Studie“ von Randall Collins.
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